Qualifiziertes Steuervergehen
Mit der Umsetzung der Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) wurde in der Schweiz das qualifizierte Steuervergehen per 1. Januar 2016 eingeführt. Das qualifizierte Steuervergehen, welches eine Steuerhinterziehung von mehr als CHF 300‘000 in einer Steuerperiode mittels Urkundenfälschung voraussetzt, stellt eine Vortat zur Geldwäscherei dar.
Die regulatorischen Bestimmungen verpflichten Finanzintermediäre seit Anfang dieses Jahres die Hintergründe und den Zweck von Transaktionen sowie Geschäftsbeziehungen abzuklären, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass Vermögenswerte aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren. Vermögenswerte, die aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren, dürfen von Finanzintermediären nicht entgegengenommen werden und es gelten weiter die besonderen Sorgfaltspflichten aus der Geldwäschereiverordnung-FINMA.
Um den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, haben Finanzintermediäre unter anderem Risikokriterien zu entwickeln, die auf neue oder bestehende Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken hinweisen (sog. GmeR). Neben dem Beispielkatalog aus der Geldwäschereiverordnung-FINMA, welche vorwiegend qualitative Risikokriterien erwähnt (wie z.B. Art der verlangten Dienstleistungen und Produkte sowie die Komplexität der Strukturen des Vertragspartners), stehen beim qualifizierten Steuervergehen in erster Linie quantitative Risikokriterien im Vordergrund. Nur Vertragspartner, welche über genügend Vermögenswerte verfügen bzw. in einer Steuerperiode einen gewissen Schwellenwert an Einkommen oder Gewinn erreichen, sind überhaupt in der Lage eine Steuerhinterziehung von mehr als CHF 300‘000 zu begehen. Wo dieser Schwellenwert anzusetzen ist, hängt massgeblich vom Steuerdomizil und der Rechtsform des Vertragspartners bzw. dem auf ihn anwendbaren Steuersatz ab.
Die Praxis wird zeigen müssen, wie viele Meldungen der Meldestelle für Geldwäscherei des Bundes (MROS) aufgrund des qualifizierten Steuervergehens erstattet werden. Es ist jedoch zu erwarten, dass die Finanzintermediäre primär vom Melderecht Gebrauch machen werden und Wahrnehmungen melden werden, welche darauf schliessen lassen, dass die Vermögenswerte aus einem qualifizierten Steuervergehen herrühren könnten. Wissen darum oder einen begründeten Verdacht, dass ein Vertragspartner eine Urkundenfälschung begangen hat und dadurch mit einer Steuerhinterziehung von mehr als CHF 300‘000 erfolgreich war, wird ein Finanzintermediär – vermutungsweise auch nach gründlichen Abklärungen – in der Regel nicht haben. Die zukünftigen Jahresberichte der MROS werden Aufschluss über diese Frage geben.